Autorin: Ulrike Guérot
Format: Taschenbuch; 11,5 x 19 cm
Seitenanzahl: 96 Seiten
Verlag: Ullstein Hardcover
Auflage: 1 (Mai 2017)
Sprache: Deutsch
ISBN: 978-3549074916
Altersempfehlung: Ab 14 Jahre, Erwachsene
Ulrike Guérot auf Facebook >>>
Klappentext:
Europa steckt tief in der Krise. Die von den Rechtspopulisten angestrebte Rückkehr zu nationalstaatlicher Konkurrenz kann nicht die Lösung sein.
Ulrike Guérot plädiert für einen radikalen Neuanfang: Dem gemeinsamen Markt und der gemeinsamen Währung muss endlich eine gemeinsame europäische Demokratie folgen. Nur so können wir das weltoffene Europa bewahren, das die Mehrheit der Europäer nach wie vor will.
Über die Autorin Ulrike Guérot:
Ulrike Beate Guérot, geboren 1964 in Grevenbroich, ist eine deutsche Politikwissenschaftlerin und Publizistin. Sie ist Professorin für Europapolitik und Demokratieforschung an der Donau-Universität Krems, Gründerin des European Democracy Lab (EDL) in Berlin und beschäftigt sich mit der Zukunft des europäischen Integrationsprozesses.
Ulrike Guérot war mit dem französischen Diplomaten Olivier Guérot verheiratet und ist Mutter zweier erwachsener Söhne. Sie ist außerdem Mitglied der internationalen Yogabewegung Jivamukti.
Guérot studierte Politikwissenschaft und wurde 1995 an der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster mit einer Arbeit über die Geschichte des französischen Parti socialiste promoviert.
Von 1992 bis 1995 war Guérot Mitarbeiterin im Abgeordnetenbüro des Außenpolitischen Sprechers der CDU/CSU Bundestagsfraktion, Karl Lamers, und wirkte an dem Schäuble-Lamers-Papier zur Vertiefung der Europäischen Union von 1994 mit.
1995 bis 1998 war sie wissenschaftliche Mitarbeiterin beim ehemaligen Präsidenten der Europäischen Kommission, Jacques Delors, bei der Organisation Notre Europe in Paris und anschließend von 1998 bis 2000 Juniorprofessorin an der Paul H. Nitze School for Advanced International Studies an der Johns Hopkins University, Washington, D.C., USA.
2000 bis 2003 leitete sie die Programmgruppe Europa bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) in Berlin. Zudem unterrichtete sie 2003 an der INSEAD – Business School in Singapur. Von 2004 bis 2007 arbeitete sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin beim German Marshall Fund. Von 2007 bis 2013 leitete Guérot das Berliner Büro des European Council on Foreign Relations (ECFR).
Im Frühjahr 2012 war Guérot Visiting Scholar am Deutschen Haus der New York University und im Herbst 2014 hatte sie einen Gastaufenthalt am Wissenschaftszentrum Berlin (WZB). Weiters unterrichtete sie im Wintersemester 2014/2015 an der Europa Universität Viadrina in Frankfurt / Oder sowie der Bucerius Law School, Hamburg.
Im März 2014 gründete sie das European Democracy Lab (EDL), einen in Berlin beheimateten Think Thank an der European School of Governance.
Seit April 2016, ist sie Leiterin des „Departments für Europapolitik und Demokratieforschung“ an der Donau Universität Krems.
Im April 2013 veröffentlichte Ulrike Beate Guérot gemeinsam mit Robert Menasse ein Manifest zur „Gründung einer Europäischen Republik“. Beide plädieren für eine Neugründung der europäischen Demokratie, eine Europäische Republik und sind in diesem Zusammenhang für die Schaffung eines nachnationalen Europas.
Im April 2016 erschien ihr erstes Buch „Warum Europa eine Republik werden muss! Eine politische Utopie“. Darin zeichnet sie die Utopie einer europäischen Republik, welche auf der Gleichheit aller europäischen BürgerInnen jenseits nationaler Grenzen beruht. Die Süddeutsche Zeitung lobt das Buch als originellen, klugen und radikalen Beitrag.
Im Mai 2017 wurde ihr zweites Werk mit dem Titel: „Der neue Bürgerkrieg: Das offene Europa und seine Feinde“ im Ullstein Verlag veröffentlicht. Der NDR wählte es als bestes Sachbuch des Monats.
Leseprobe aus dem Buch
"Der neue Bürgerkrieg: Das offene Europa und seine Feinde":
VORAB:
Die einen sprechen von Kulturkampf, die anderen von Bürgerkrieg. Auf jeden Fall ist Europa in Aufruhr, sind die europäischen Gesellschaften tief gespalten.
Gegenüber stehen sich einerseits die sogenannten Identitären - Marine Le Pen, Geert Wilders, Norbert Hofer oder Frauke Petry -, die durch ihr Frauenbild, ihre Islamophobie oder die Ablehnung von Homosexualität ein reaktionäres Weltbild vertreten und die Abschaffung der bestehenden europäischen Ordnung anstreben; auf der anderen Seite eine europäisch gesinnte Zivilgesellschaft, alarmierte Jugendliche oder besorgte Bürger als Verteidiger der europäischen Aufklärung im Sinne des Erbes der Französischen Revolution.
Es ist keine Auseinandersetzung zwischen Nationen, sondern eine politisch-ideologische Frontstellung, die längst paneuropäisch verläuft. In diesem Essay bezeichne ich diesen Prozess als den neuen europäischen Bürgerkrieg.
Um jedem Missverständnis vorzubeugen: Nein, es geht nicht um Bürgerkriegssituationen wie in Syrien oder in der Ukraine. Noch ist alles - weitgehend - ruhig in Europa. Und doch erleben wir eine nicht gekannte verbale Aufrüstung.
Marine le Pen, FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache oder die Oberrandalierer der AfD, Björn Höcke und Andre Poggenburg, führen das Wort »Bürgerkrieg« längst im Munde. Wir sollten das ernst nehmen, denn mit dem Credo der Berufsoptimisten, dass sich alles schon wieder einrenken wird, ist es nicht mehr getan - auch wenn der rechtspopulistische Auftrieb zunächst einmal gestoppt scheint und die Verteidigung Europas in diesem Frühjahr 2017 aufgrund vielfältiger politischer Verschiebungen und Initiativen eine neue Blüte erlebt.
Im europäischen Bürgerkrieg gegenüber stehen sich Globalisierungsverlierer und Globalisierungsgewinner, urbane Zentren und ländliche Regionen, Jung und Alt, Arm und Reich, Identitäre und Kosmopoliten. Es herrscht eine fast prärevolutionäre Situation, die mit dem klassischen politischen Schema von rechts und links nichts mehr zu tun hat; wohl aber mit dem Paradigma des Bürgerkriegs, nämlich Beherrschte gegen Herrschende oder eben »Volk« gegen Elite.
Anders formuliert: Die europäischen Nationalstaaten zerfallen als politische Körper. Dieser Moment der größten europäischen Krise seit Gründung der EU könnte zur Geburtsstunde eines neuen Europas werden, in dem die europäischen Nationalstaaten zu einer wirklichen politischen Einheit verschmelzen, weil die europäischen Bürger diese politische Einheit jenseits der Brüsseler Institutionen neu begründen.
Oft gehen Bürgerkriege großen Einigungen voraus: So war es in Amerika 1865 oder in der Schweiz 1847. In Europa kann es friedlich bleiben, wenn wir uns jetzt auf den Weg machen, diesen Prozess zu gestalten, anstatt ihn zu leugnen oder zu erleiden.
Europa kann Umbrüche friedlich gestalten, das haben wir 1989 erlebt ...
-------------------------------
DIE EUROPÄISCHE KRISE UND IHRE URSACHEN
Europa im "Kalten Frieden"
Es herrscht Unfrieden in Europa. Der Kontinent befindet sich im »Kalten Frieden« - da, wo der heiße Krieg zwischen EU-Staaten unmöglich erscheint und der Kalte Krieg bis auf weiteres vorbei ist.
Europa scheint zur leichten Beute zu werden, wahlweise für Putin oder den Terror des IS. Es wird zerrieben durch äußere Einflüsse, denen es - von der Türkei über die Ukraine bis zum Syrienkrieg - kaum etwas entgegenzusetzen hat, vor allem eines nicht: Einigkeit. Allem voran scheitert Europa an sich selbst!
Die Parole »Nie wieder Krieg«, immer weder beschworen von den europäischen Gründungsvätem bis zu heutigen Politikern, klingt hohl angesichts des »Kalten Friedens« innerhalb Europas und des Unfriedens mit der Außenwelt. Die europäische Friedenserzählung ist doppelt brüchig geworden.
Es waren das kolossale Missmanagement der Eurokrise und dann die Flüchtlingskrise, die die politische Spaltung und die sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Zerwürfnisse in Europa befördert haben, an denen die EU jetzt zu scheitern droht und die das Potential haben, sich zu einem Bürgerkrieg auszuweiten. Europa ist tief gespalten in Nord und Süd, Ost und West. Aber nicht nur das. Auch die nationalen Gesellschaften sind gespalten - und diese Spaltung macht die Nationalstaaten vollends unfähig, europäisch zu handeln.
Es sind nicht die Einzelphänomene, die Angst machen, sondern es ist die Zusammenschau aller Krisenerscheinungen, die einen Vorgeschmack auf den europäischen Bürgerkrieg bietet: Arbeitslosigkeit, Individualismus, Niedergang traditioneller Konfessionen, demographischer Wandel, Fundamentalismus, Terror, Migration und Flüchtlinge, Verarmung, drastischer Bildungsverfall, Kriminalität, Polarisierung zwischen Arm und Reich.
Hinzu kommt überall in Europa die Konfrontation zwischen der »Elite«, der oligarchischen Politikerkaste, und unzufriedenen Populisten, die beanspruchen, »das Volk« zu sein. Der sich ankündigende europäische Bürgerkrieg ist de facto ein transnationaler Verteilungskampf und ein Kulturkampf, die beide national nicht mehr zu lösen sind und die zu lösen die EU kein Instrumentarium hat, weswegen sie an ihnen zugrunde geht - und die europäischen Demokratien dabei in den Abgrund zieht.
Das Wort von der »Weimarisierung Europas« geistert durch die Gazetten. Bei französischen Diners wird vom guerre civile gewispert, und das Aufgebot von Panzerfahrzeugen während der Nuit Debout an der Place de la Republique in Paris im Frühjahr 2016 war ein deutliches Zeichen.
In Brüssel patrouilliert Militär, in Deutschland wird über den Einsatz der Bundeswehr im Innern diskutiert. Frankreich befindet sich im Dauer-Ausnahmezustand, an der Gare du Nord ist mehr Polizeiaufgebot als am Flughafen von Bogota.
Die aktuelle Beschwörung der Zivilgesellschaft kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass längst eine schleichende Militarisierung der europäischen Gesellschaften stattfindet. Auf dem Nährboden von Angst- und Sicherheitsdiskursen gedeiht der Überwachungsstaat ...
Zur gesamten Leseprobe bei Amazon >>>
Unsere Empfehlung:
Das Wort "Bürgerkrieg" verheißt nichts Gutes. Aber vielleicht ist eine derartige Zuspitzung der Sprache notwendig, um auf die tiefen Spaltungen unserer "westlichen" Gesellschaften aufmerksam zu machen bzw. wach zu rütteln, noch bevor es tatsächlich zu noch Schlimmerem kommt.
Der renommierten Politikwissenschaftlerin, Publizistin und Buchautorin Ulrike Guérot ist mit diesem Buch eine präzise Analyse der aktuellen Lage gelungen. Wie dies bei Streitschriften dar Fall ist, muss nicht jede Aussage "sturmfest" sein. Hier geht es wohl eher darum, einen Diskurs in Gang zu bringen, der in einem Thinktank zur Verbesserung und Komplementierung unserer Demokratie auf europäischer Ebene münden kann.
Die scharfsinnige Beschreibung der Polarisierungstendenzen auf europäischer und nationaler Ebene steht im Mittelpunkt der Betrachtungen. Die Spaltung, wie sie vor allem von Rechtspopulisten, aber auch von religiösen Extremisten beabsichtigt war und immer noch vorangetrieben wird, ist mittlerweile auch in sehr vielen Familien, im Freundeskreis oder unter Arbeitskolleg/innen spürbar.
Die Spaltung vollzieht sich vor allem zwischen Anhängern eines rückwärtsgewandten, nationalistischen, identitären Europas und jenen, die eine progressiven, weltoffene und transnationale Gesellschaft verinnerlicht haben und diese auch in ihrem alltägichen Handeln praktizieren.
Insofern kann man bereits von politischen "Parallelgesellschaften" sprechen, deren Auffassung von der Beschaffenheit eines Staatswesens kaum noch Kompromisse zulässt.
Die Ursachen dieser Entwicklung werden eingehend analysiert und es werden Lösungen vorgeschlagen, mit denen die EU handlungsfähiger gemacht werden kann, um Europas Platz in der globalisierten Welt zu sichern.
Eine Rückkehr zum nationalstaatlichen Gedanken mit all seinen verheerenden Folgen, die sich im 20. Jahrhundert ja ganz drastisch gezeigt haben, sollte bei solchen Überlegungen keinen Platz mehr haben!
Ein absolut empfehlenswertes Buch, das zum Nachdenken anregt und das man durchaus auch als Klassenlektüre für den fächerübergreifenden Unterricht empfehlen kann.
Ulrike Guérot – Kampf um Europa
Veröffentlicht am 30.08.2017; Dauer: 45:01
Gespräch mit der Politikwissenschaftlerin Prof. Dr. Ulrike Guérot über ihre Bücher "Der neue Bürgerkrieg" und "Warum Europa eine Republik werden muss".
Guérot plädiert für die europäische Republik und für eine Abschaffung des Nationalstaates wie wir ihn kennen; nur in einem Europa, in dem demokratische, rechtliche und soziale Gleichheit zwischen den Bürgern besteht, kann die derzeitige Krise der EU überwunden werden.
Dabei wurde sie gefragt, wer diese politische Utopie in die Tat umsetzen soll und welche Rolle Populismus und radikale Parteien bei diesem Wandel spielen werden.
