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Als wir den II. Weltkrieg ausgruben

Thomas Schmidt: Als wir den II. Weltkrieg ausgrubenAutor: Thomas Schmidt
Format: Taschenbuch, E-Book
Seitenzahl: 224 Seiten
Verlag: Engelsdorfer Verlag
Auflage: 1 (Dezember 2007)
Sprache: Deutsch
ISBN: 978-3867032001

Altersempfehlung: Erwachsene

 

 

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Klappentext:

Der II. Weltkrieg ist vorüber. Die Kinder entdecken ihre Heimatstadt Torgau als Abenteuerspielplatz wieder. Thomas Schmidt schildert detailgetreu die wahren Erlebnisse der Jagd nach den vermeintlichen Schätzen.

»Was meine Heimatstadt Torgau anbetrifft, ist dort der II. Weltkrieg in gewissem Sinne vergraben worden. Die Russen marschierten zum Kriegsende 1945 aus dem Osten und die Amerikaner aus westlicher Richtung auf die Stadt zu. Zwischendrin befanden sich noch Teile der deutschen Wehrmacht wie Korn, das jeden Moment zwischen zwei Mühlsteine geraten konnte.

Man plante einen Stellungskrieg gegen die beiden Armeen wie Don Quichotte seinen Kampf gegen die Windmühlenflügel. Viele Punkte in der Stadt und am Stadtrand, auch im gesamten Kreisgebiet, waren für die Errichtung von »Barrikaden gegen den Feind« auserkoren worden.

Nach dem strategisch wichtige Bauwerke, wie zum Beispiel die Brücken über die Elbe, sinnloser Weise zerstört waren, begann die Flucht der deutschen Militärs, eines zum Rückzug gezwungenen Wehrmachtsrestes. Übriggeblieben sind Teile einer soldatenlosen Kriegsmaschine, die man noch Jahre nach dem Krieg wie »Freilichtmuseen« in den Wäldern wiederfand, oder eine, die unter den eigenen Füßen buchstäblich begraben lag.

Kriegsgerät, Sprengstoff und Munition hat man »auf der Flucht« in Seen und Flüsse versenkt, in den meisten Fällen aber in flache Gräben geworfen und dürftig mit Erde überdeckt unter der Maßgabe, dass »Gras über die Sache wachse«.

»In den Baumwipfeln singt die Amsel, und der Buntspecht schlägt seinen Takt, Lerchen hüpfen futtersuchend im Gras, darunter ist der II. Weltkrieg verscharrt.«

Über den Autor Thomas Schmidt:

Thomas Schmidt (Autor)Thomas Walter Schmidt wurde in Torgau geboren. Nach Lehrzeit und Grundwehrdienst studierte er Bauwesen. Danach war er in verschiedenen Wirtschaftszweigen tätig.

In den 1990er Jahren übte er ein Reisegewerbe aus und fuhr durch verschiedene Länder.

Schon in seiner Kindheit gehörten Schriftsteller wie Probst, Twain, Fallada und Defoe zu seinen Lieblingsautoren. Während der Lehrzeit schrieb er Geschichten und Gedichte, unter anderem für die heute nicht mehr erscheinende Zeitschrift "Junge Welt” in Berlin.

Das Schreiben für Kabaretts und Jugendsender betrieb er fortlaufend. Seine besondere Vorliebe galt dabei der Comedy.

Ab 2005 veröffentlichte er Satiren und Regionalromane sowie Texte für die Satirezeitschrift "Eulenspiegel" in Berlin.

Im Westflügel Verlag erschien sein Krimi "Der Seebestatter von Brooklyn".

Leseproben aus dem Buch "Als wir den II. Weltkrieg ausgruben":

VORWORT

Ich bin zwar in Torgau geboren, aber meine erlebnisreiche Kindheit begann erst einmal in der zu fünfundachtzig Prozent zerbombten Stadt Dessau. Die Trümmermeere und Bombenkrater, die Wahrzeichen des Krieges in dieser Stadt, waren nun mal das streng verbotene »Spiel-Eldorado« für unartige Kinder, zu denen ich gehörte.

Wer den Krieg miterlebte, hat diese Trümmerfelder gemieden, so gut er konnte, uns aber haben sie magisch angezogen, weil wir erst nach dem II. Weltkrieg auf die Welt gekommen sind. Magisch angezogen haben uns auch die Verbotsschilder mit der Aufschrift: "Betreten strengstens verboten - Einsturzgefahr!" ...

... »In den Baumwipfeln singt die Amsel, und der Buntspecht schlägt seinen Takt, Lerchen hüpfen futtersuchend im Gras, darunter ist der II. Weltkrieg verscharrt«. »Eine makabere Poesie«, wird der eine oder andere sagen!

Einer muss ja mit dem Schürfen nach Munition begonnen haben, aber wer?! Das weiß nur der Himmel!

Apropos Himmel: Manche sind dort oben, die durch die Spuren dieses Weltkrieges noch viele Jahre nach 1945 zu Tode gekommen sind. Darunter sind sogar angehende Familienväter, die beim Spiel mit Munition, Sprengstoff oder gefundenen Waffen ihren Kick fanden, mit dem sogenannten "Anstieg des Adrenalinspiegels".

Das Schürfen nach Munition, Sprengstoff und Kriegsgerät war oft vom Vorsatz geprägt, damit etwas Verbotenes anzustellen, denn die Gesetzgebung des Staates war ja eindeutig!

Die Spuren dieses Krieges konnten nie beseitigt werden. Vielleicht gelingt es in den nächsten Generationen! Wir jedenfalls wollten im übertragenen Sinn den II. Weltkrieg wieder ausgraben ...

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Thomas Schmidt: Als wir den II. Weltkrieg ausgruben... Heute treiben wir uns wieder in den Kellern zerbombter Häuser herum. Eigentlich haben wir dort nichts zu suchen. Außerdem werden die Trümmerfrauen und -männer, wenn sie Pech haben, streng bestraft, falls sie uns nicht vom Trümmerfeld jagen.

Meine älteren Kumpane und ich erfahren, dass die Trümmerfrauen heute wieder nach altem Hausrat suchen. In einem Fall sind wertvolle Antiquitäten mit musealem Wert in solch einer Ruine gefunden worden. Das gehört dann dem Staat, habe ich gehört, und man bekommt als Trümmerfrau oder - mann trotz der beschissenen Trümmerarbeit nicht einmal das Dreckige unterm Fingernagel, geschweige Finderlohn! Ist das nicht ungerecht?

Die Polente bekämpft auch die sogenannten »Kupfer- und Bleimarder«. Das sind Leute, die z.B. kupferne und bleierne Wasserleitungen aus den Ruinen klauen. Sie hauen mit Beilen und Äxten die Rohre einfach von den Wänden, weil das so schneller geht und verkaufen sie dann beim Schrotthandel ...

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Thomas Schmidt: Als wir den II. Weltkrieg ausgruben... Degenhard hat eine Gewehrpatrone mit seinem neuen Sprengmittel präpariert und sie unter Wasser in einem gefüllten Zinkeimer zur Explosion gebracht. Dabei sei das Wasser fünf Meter hochgespritzt.

Von diesem Eimer ist ein unförmiges Blechknäuel übrig geblieben, erklärt er uns stolz und erwähnt, dass es sich höchstens um zwei Gramm Pulver gehandelt habe. Jetzt hat er sich im Bett aufgerichtet. »Wichtig ist, alle chemischen Bestandteile genau zu dosieren!«, fügt er hinzu.

Degenhardt will sogar einen ausgedienten Tetra-Feuerlöscher, bestehend aus dickwandigem Stahl, zu einer Bombe umfunktionieren. Wir kennen die Sprengstoffrezepturen Degenhards längst und wissen auch, dass die Rohrbombe wrelche die Polizei in der Degenhardwohnung gefunden hat, einen sogenannten Initialzünder hat.

»Eines Tages sprengt sich der blöde Degenhard samt seinen Eltern in die Luft, oder sie wandern vor den Kadi und wir natürlich auch - vermutlich wegen Hehlerei!«, meint Lissel. Daran habe ich noch gar nicht gedacht!

Dann nehmen wir uns Degenhard zur Brust. Dabei ziehen wir alle Register und offerieren ihm, dass er mit einer gehörigen Tracht Prügel rechnen muss, wenn er aus dem Krankenhaus entlassen wird und dann möglicherweise die Rückreise gleich in den OP-Saal antreten muss.

Unser Bluff hat gesessen! Degenhard lenkt ein und bittet uns, den Behälter mit dem TNT aus der Degenhard’schen Wohnung zu entfernen und den Inhalt zu vernichten.

Es gelingt uns, den »Sprengstoffkarton«, wenn auch mit unlauteren Mitteln, aus der elterlichen Wohnung des Degenhardt zu schmuggeln. Allerdings denken wir nicht im Entferntesten daran, das chemische Übrigbleibsel der - Sprengstoffgeschichte des II. Weltkrieges, also das TNT, den Behörden zu melden - damit haben wir wieder mal gegen das Gesetz verstoßen! Zumindest haben wir erreicht, dass in den häuslichen Gefilden der Degenhards endlich Ruhe einkehrt ...

Buchempfehlung zum Buch "Als wir den II. Weltkrieg ausgruben":

Thomas Schmidts autobiografischen Erzählungen unter dem Titel "Als wir den II. Weltkrieg ausgruben" beschreiben die Verhältnisse und Lebensbedingungen in den Nachkriegsjahren bzw. an den Anfängen der DDR aus der Sicht eines heranwachsenden Kindes und aus der Ich-Perpektive eines authentischen Zeitzeugen.

Hintergrund der Handlung sind die zerbombten Häusern der Stadt Torgau und eine Landschaft, die von Kriegsschrott und den gefährlichen Relikten des Zweiten Weltkriegs übersät ist.  

Diese Umgebung bietet ein ideales Spielfeld für neugierige Kinder auf der Suche nach spannenden Abenteuern. Darüber hinaus garantiert der Reiz des Verbotenen für die nötige Adrenalinausschüttung. Wenn einmal das Interesse für Munition und Sprengmittel geweckt ist, dann gerät man leicht in Versuchung, solche Dinge selbst zu basteln.
Also machen sich die Jungs auf die Suche nach chemischen Substanzen und schaffen es tatsächlich, scharfe Bomben von tödlicher Sprengkraft herzustellen.

All dass passiert vor dem Hintergrund jugendlichen Leichtsinns und einer Elterngeneration, die so sehr mit dem Wiederaufbau und ihren eigenen Sorgen beschäftigt ist, dass sie mit der Beaufsichtigung und Erziehung ihrer Kinder überfordert scheint.
Verblüffend ist auch zu erfahren, wie locker die Behörden mit dem illegalen Besitz von Waffen oder Munition und selbst mit dem Herstellen von Sprengsätzen umgehen.
Und so bleiben die schweren Unfälle auch nicht aus. Einer der Jungen wird bei der Explosion einer von ihm selbst gebastelten Rohrbombe getötet.

Aus heutiger Perspektive betrachtet wirkt all das befremdlich. Wir sind es mittlerweile gewohnt, dass wohlbehütete Kinder kaum noch im Gelände spielen, immer weniger Geheimnisse vor Erwachsenen haben und dass selbst geringste Verstöße mit der vollen Härte des Gesetzes geahndet werden.

Die Angaben über die historischen Ereignisse, über die Lebensumstände rund um Torgau und selbst über die Funktionsweise von Sprengmitteln verraten detaillierte Kenntnisse, die auf den eigenen Erinnerungen sowie auf akribische Recherchen des Autors beruhen. Auch auf pyrotechnischem Gebiet erweist sich Thomas Schmidt als erfahrener Experte. So wundert es auch nicht, dass er im Laufe der Geschichte seinen Wehrdienst bei einer Feuerwehrtruppe der Nationalen Volksarmee der DDR ablegt.

Die gute Beobachtungsgabe und der lebhafte Erzählstil sorgen für Hochspannung bis zur letzten Seite.
Für mich ist dieses Buch ein einzigartiges Dokument über das Leben in der ehemaligen DDR während der 1950er Jahre.
Für alle Nachgeborenen, und hier ganz speziell für Leser/innen aus dem Westen, möchte ich die Lektüre bestens empfehlen.

Martin Urbanek

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