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Anton oder Die Zeit des unwerten Lebens

Elisabeth Zöller: Anton oder Die Zeit des unwerten LebensAutorin: Elisabeth Zöller
Format: Taschenbuch
Seitenzahl: 224 Seiten
Verlag: Fischer
Auflage: 10 (2006)
Sprache: Deutsch
ISBN: 978-3596805167

Altersempfehlung: Ab 12 Jahre

Website von Elisabeth Zöllner

 

 

 

 

 


Klappentext:

Lehrer Heimann hat Anton immer mehr auf dem Kieker.
Er gibt Strafarbeiten, wenn Anton zuckt.
Er schlägt, wenn Anton schweigt.
Er lacht ihn aus, wenn Anton stottert.
Er spottet, wenn Anton rechnet.

Einer wie Anton hat in der Schule nichts zu suchen. Einer wie Anton hat eigentlich überhaupt kein Recht zu leben. Denn Anton ist behindert, und es ist das Jahr 1941.

Über die Autorin Elisabeth Zöllner:

Elisabeth Zöller (Autorin)Elisabeth Zöller studierte Deutsch, Französisch, Kunstgeschichte und Pädagogik in München, Lausanne und Münster. Anschließend wurde sie Lehrerin an einem Gymnasium und übte diesen Beruf bis 1989 aus.

Seit 1990 schreibt sie Bücher für Kinder und Jugendliche im Alter von vier bis 16 Jahren, in denen sie auch schwierige Themen wie Wut, Angst, Gewalt, Trauer und Tod verarbeitet. So thematisierte sie u. a. in Anton oder Die Zeit des unwerten Lebens die Verfolgung und Ermordung Kranker und Behinderter in der Zeit des Nationalsozialismus.

Elisabeth Zöller lebt heute auf einem denkmalgeschützten Bauernhof bei Münster.

Elisabeth Zöller ist eine der bekanntesten und erfolgreichsten Kinder- und Jugendbuchautorinnen Deutschlands. Ihr Roman ›Schwarzer, Wolf, Skin‹ erregte großes Aufsehen. Für ihr Buch "Anna rennt" erhielt sie den Katholischen Jugendbuchpreis, für "Anton oder Die Zeit des unwerten Lebens" den Gustav-Heinemann-Friedenspreis. Für ihr Engagement gegen Gewalt wurde sie mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Sie lebt mit ihrer Familie in Münster.

Leseprobe aus "Anton oder Die Zeit des unwerten Lebens":

1938

Elisabeth Zöller: Anton oder Die Zeit des unwerten Lebens»Wir müssen uns wehren«, sagt der Vater.
»Was ist das für eine Welt, in der es ein Unrecht ist, ein krankes, leicht behindertes Kind im Schoß der Familie aufwachsen zu lassen«, seufzt die Mutter.
»Von krank kann man bei Anton überhaupt nicht sprechen«, entgegnet der Vater und wiederholt damit, was Onkel Franz gestern im Zusammenhang mit Antons Einschulung gesagt hat.

Onkel Franz erinnerte daran, dass Antons Behinderung die Folge eines Unfalls ist und nicht auf eine angeborene Geisteskrankheit zurückzuführen sei. Aber selbst wenn die Ärzte das bestätigten, ändere es nichts an der Tatsache, dass ein geistig zurückgebliebenes oder sonst wie behindertes Kind den nationalsozialistischen Machthabern ein Dorn im Auge sei, wie überhaupt alles, was nicht in ihr nazistisches, rassistisches Weltbild passe.

»Natürlich macht ihm die Lähmung in seinem rechten Arm zu schaffen. Und sein Stottern ist manchmal mühsam. Aber er ist doch sonst sehr wach«, ereiferte sich Onkel Franz.

»Er muss in die Schule. Bei seiner mathematischen und künstlerischen Begabung hat er Möglichkeiten.«

»Heute nicht mehr«, sagte die Mutter. Wer hellhörig ist, zweifelt längst nicht mehr daran, dass die Nazis im Begriff sind, »Maßnahmen« zu treffen.

Elisabeth Zöller: Anton oder Die Zeit des unwerten LebensEs sei kein Geheimnis, sagte Onkel Franz, dass Hitler einen Katalog erstellen lasse, in dem die Erkennungsmerkmale »angeborener Missbildung« und »geistiger Unterentwicklung« aufgezeigt würden. Onkel Franz empörte sich darüber und meinte, es sei ein Verbrechen, Menschen zu katalogisieren und in solch Menschen verachtender Weise zu Krüppeln oder Idioten zu stempeln.

»Im Herbst nehme ich Anton in meine Klasse«, sagte Onkel Franz. »Das kriegen wir schon hin.«

»Sonst muss er in eine Anstalt«, flüsterte der Vater. »Und das wäre ein großes Unrecht«, fügte er hinzu.

»Mit links könnte er ja schreiben. Aber ein deutscher Junge schreibt rechts«, sagte die Mutter verbittert.

Sie haben lange schweigend gesessen. Das Leben wurde immer bedrohlicher, seit Hitler die Macht ergriffen hatte.

Mama und Anton sitzen am Küchentisch. An der einen Seite ist die Kredenz. Über der Kredenz hängt das Klappbild des Führers. Der Vater hat es gebastelt.

»Für den Hitler kaufe ich keinen extra Bilderrahmen«, hat er gemurmelt. Er hat das Herz-Jesu-Bild mit dem flammenden Herzen von der Wand genommen, ist damit in seinen Bastelkeller hinuntergestiegen und hat auf die Rückseite das Führerbild montiert. Über das Führergesicht hat er eine Cellophanfolie gespannt, wie sie die Mutter über die Marmeladengläser zieht.

Rundherum hat er eine schwarze Holzkante genagelt, eine Öse oben zum Aufhängen. Und unter dem Führerauge blinzelt die Schrift von Onkel August durch: »Erinnerung an deine erste heilige Kommunion«.

»Das muss reichen«, hat er gemurmelt und das Bild, mit dem Herzen Jesu nach vorne, wieder an seinen Platz gehängt. »Der Führer wird nur ausgeklappt, wenn der Ortsgruppenleiter oder der Blockwart kommen, oder auch Herr Nemann«, meinte der Vater.

Herr Nemann ist ein strammer Nazi. Und ein Lehrer sollte das Bild des Führers daheim in seiner Wohnung an der Wand hängen haben.

Schließlich klopfte der Vater auf das Bild und nickte. »Da bist du gut aufgehoben, das Herz Jesu hält dich Schach ...

Rezension zu "Anton oder Die Zeit des unwerten Lebens":

Nach einer wahren Begebenheit ...

Die erfolgreiche Jugendbuchautorin, Elisabeth Zöller, musste sich die Handlung ihres Buches nicht extra ausdenken - was die Autorin hier beschreibt, ist nämlich die Lebensgeschichte ihres Onkels, an (Onkel) Antons Lebenslauf wird mehr als deutlich, was es seinerzeit bedeutete als Mensch mit Behinderung im Deutschen Reich leben zu müssen - welche ideologischen Wahnvorstellungen die Machthaber bereits in die Köpfe der Jüngsten Menschen pflanzen wollten - dass diese "Bemühungen" nicht bei jedem Bürger fruchteten und welche Risiken diese Reste gelebter Menschlichkeit und Zivilcourage nach sich ziehen konnten und zogen...

Die tägliche Bedrohung, durch das Regime, die Auswirkungen des herrschenden Zeitgeistes auf alle Lebensbereiche wird mehr als deutlich - in einer Art und Weise, welche gerade Kinder und Jugendliche behutsam an ein immer noch schwer zu verstehendes und oft nicht einfach zu erklärendes Thema heranführt - das "Dritte Reich".

Fazit: Das Buch erscheint mir als Einstiegslektüre für den Geschichtsunterricht, bzw. dessen sinnvolle Ergänzung sehr gut geeignet - in dieser Form schafft man es bestimmt, junge Menschen für dieses dunkle Kapitel der Geschichte zu interessieren, von dem manch Erwachsener inzwischen nichts mehr hören mag - gerade aus diesem Grund ist es wichtig die Vergangenheit zu kennen, damit man als mündiger Teil zukünftiger Erwachsenengenerationen u.a. um den tatsächlichen Sinn und das Gewicht des in Sonntagsreden vielstrapazierten Spruches "Wehret den Anfängen" im Bilde ist.

Eigentlich wollte ich nur noch ein wenig lesen, ein Kapitel vielleicht - zweieinhalb Stunden später habe ich dieses Buch hier aus der Hand legen können - denn da war der letzte Satz gelesen, wusste ich um den Ausgang dieses beispielhaften Einzelschicksals - vorher hätte ich nicht einschlafen können, nicht einschlafen wollen.

Quelle: Rezension bei Amazon


Unterrichtsmodell zu "Anton oder Die Zeit des unwerten Lebens" (PDF):

  • Textanalyse
  • Didaktische Überlegungen
  • Methodische Vorschläge
  • Anhang

Elisabeth Zöller: Anton oder Die Zeit des unwerten Lebens (Unterrichtsmodell)
Unterrichtsmodell als PDF herunterladen >>>


Buchvorstellung "Anton oder die Zeit des unwerten Lebens" von Elisabeth Zöller

Veröffentlicht am 08.02.2014; Dauer: 00:07:28

Kongress Lesen. Lernen. 2007 | Anton - Interview mit den Schülern

Veröffentlicht am 23.06.2014; Dauer: 00:09:49

Interview mit Schülerinnen und Schülern der Klasse 8 des Heinrich-von-Kleist-Gymnasium, Bochum zu "Anton oder Die Zeit des unwerten Lebens", Szenen nach Elisabeth Zöller auf dem Kongress Lesen - Lernen am 7. November 2007 in Dortmund.

Sichten und Vernichten - Psychiatrie im Dritten Reich

Veröffentlicht am 03.12.2017; Dauer: 00:44:11

Eine Dokumentation über die Psychiatrie im Dienste der Eugenik der nationalsozialistischen Ideologie und das damit bis in die jüngste Zeit kaum bis wenig beachtete Kapitel der Massentötung von körperlich und geistigbehinderten Bürgern und Bürgerinnen dieses Landes.

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